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Ständig unter Strom

Hannah Fleischmann möchte im Sommer zu EM und WM. Um bis zur „Quali“ topfit zu sein, kniet sich die 18-jährige Sprinterin von der LG Region Landshut mächtig rein

 

Von Gunnar Giftthaler

Mein lieber Schwan! Was Hannah Fleischmann momentan so herunterspult, ist nicht von schlechten Eltern: Abiturvorbereitung, sechsmal pro Woche Training, Aufnahmetest bei der Polizei, Trainingslehrgänge und an den Wochenenden – soweit es die Pandemie zulässt – Wettkämpfe. Der Grund für die ganze Schinderei liegt für die 18-jährige Sprinterin von der LG Region Landshut auf der Hand — im Sommer sind in ihrer Altersklasse U 20 sowohl die EM in Tallinn (15. bis 18. Juli) als auch die WM in Nairobi (ab 17. August) geplant. Wer in ziemlich genau zwei Monaten nach Estland mitfahren darf, steht noch nicht fest. Das wird an einem einzigen Tag entschieden.

„Ich hoffe natürlich, dass ich bei der Europameisterschaft mitlaufen kann“, sagt die Nationalkader-Athletin. Für dieses Ziel muss sie am Wochenende 3./4. Juli topfit sein, wenn nämlich bei der Bauhaus-Juniorengala in Mannheim die EM-Qualifikation über die Bühne geht. Klar ist auch: Nur wer’s nach Tallinn schafft, darf auch von der WM träumen. Wie Fleischmanns Chancen stehen, lässt sich aktuell nur schwer sagen. Dafür ist die Leichtathletik-Saison noch viel zu jung und der Einfluss von Corona zu groß. Doch eins steht definitiv fest: Hannah Fleischmann gibt alles, um die begehrten Tickets zu ergattern.

 

Laufen, laufen, laufen – statt Ferien und Wochenende

Auch abseits der Laufbahn sind’s entscheidende Wochen für die Landshuterin. In einem Monat sind Abiturprüfungen an der Landshuter FOS, und weil sie dem Leistungssport treu bleiben will, hat sie vor kurzem die Aufnahmeprüfung inklusive Medizincheck bei der Polizei erfolgreich absolviert. Hinzu kommt fünfmal pro Woche Training am Bundesstützpunkt München und immer donnerstags beim ETSV 09 Landshut. „Das ist schon wahnsinnig stressig und ich bewundere, wie sie das so durchzieht“, sagt ihre Trainerin Anneliese Albrecht.

Während die anderen Schüler ihre Osterferien genießen durften, fuhr Hannah Fleischmann mit den anderen Kaderathleten des Deutschen Leichtathletik-Verbands erst sechs Tage zum Trainingslager nach Weißenstadt (Oberfranken) und anschließend zehn Tage nach Kienbaum (Brandenburg), um Kraft, Tempo, Startreflexe und Koordination zu optimieren. Und während ihre Mitschüler übers Wochenende die Füße hochlegen können, schnürt Hannah Fleischmann die Laufschuhe. Am vorigen Samstag, coronabedingt sehr spät im Jahr, war ihr erster echter Härtetest angesetzt. Mit der 100-Meter-Staffel ging’s zum Läufer-Meeting nach Pliezhausen (Baden-Württemberg) und tags darauf gleich weiter zum Kaderwettkampf über 100 Meter nach München. Doch bei ihrem ambitionierten Übungspensum ist’s kein Wunder, dass sie auch heuer schon wieder schnell unterwegs ist. Ihre Bestzeit über 60 Meter hat sie bereits um mehr als drei Zehntel von 8,01 auf 7,66 Sekunden verbessert und in München lief sie mit 12,18 Sekunden über die 100 Meter auf Rang zwei in der U 20-Konkurrenz.

 

Steigerungspotenzial bei Start und Stab-Wechsel

Aber wer ganz nach vorne will, ist im besten Fall Perfektionist. „In der Staffel hat der Wechsel noch nicht so gut geklappt und beim Einzel war der Start nicht optimal, das ärgert mich ein bisschen“, sagt die selbstkritische Hannah Fleischmann. Bei der Kurpfalz-Gala in Weinheim (22. Mai) möchte sie es mit der 100- und 200-Meter-Staffel besser machen. Auch als Standortbestimmung, wo sie leistungsmäßig gerade einzuordnen ist — und was noch drin ist. „Das kann ich echt nicht einschätzen, ich bin ja erst ein paar Mal gelaufen“, sagt sie bescheiden. An Fleiß und Motivation dürften ihre Ziele nicht scheitern.